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Christa Lieb – Autorin

… und dann die Frage

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Foto: chrilie

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Ein leckeres Essen in gemütlicher Runde und dann die Frage: „Du schreibst doch. Ich schreibe gerade an einer super Geschichte. Würdest du’s dir mal ansehen?“ Vor Schreck verschlucke ich mich fast an dem hervorragenden Grauburgunder. Das sind genau die Fragen, die ich nicht hören möchte. Denn meine Antwort lautet: nein.

Wenn ich etwas gelernt habe in all den Jahren, dann ist es die Erkenntnis, dass es böse enden kann, wenn man sich zu solchen Gefälligkeiten durchringt. Es ist ein unkalkulierbares Wagnis und führt – wie ich es selbst erlebt habe – sogar zum Ende langjähriger Freundschaften. Plötzlich kommen Befindlichkeiten ins Spiel, von denen man nichts ahnte: Unaufrichtigkeit gepaart mit falschen Ratschlägen, respektlose Feedbacks, ja sogar Eifersucht; ein Punkt, an dem ich noch immer zu knappern habe.

Ich rutsche unruhig auf dem Stuhl hin und her, die angeregten Gespräche verstummen, alle Blicke sind auf mich gerichtet. Was nun? Wie bringst du einer Person, die du schätzt, bei, dass du nicht zur persönlichen Lektorin avancieren willst, ohne für überheblich oder zickig gehalten zu werde?

Okay, denke ich, vielleicht ist mir etwas entgangen. Vielleicht hat er’s bisher nicht an die große Glocke gehängt, dass ihn das Schreibhandwerk interessiert. Ich frage höflich nach dem Thema, dem Plot, nach Protagonisten und Antagonisten, ob fiktiv oder autobiografisch, Struktur, Charakterisierung usw. Ergebnis: Große Augen sehen mich an. Aha, denke ich, da ist sie wieder, die Vorstellung, man hat eine Idee, setzt sich hin, spitzt den Kriffel und schreibt mal eben einen Roman. Dass das Schreiben ein Handwerk ist, das man erlernen muss, wie das Spielen eines Instrumentes oder das Malen von Bildern, und dass es ständigen Übens bedarf, scheint in den Köpfen vieler Leute noch immer nicht angekommen zu sein.

„Das wichtigste ist doch wohl Talent“, wirft jemand in die Runde. „Danke für das Vertrauen“, antworte ich, „aber zum Schriftsteller wird man nicht geboren. Das muss man sich hart erarbeiten.“

Ich wende mich wieder dem Frager zu. „Was bist du bereit zu opfern? Was bist du bereit auszuhalten? Was ist dein Antrieb? Willst du berühmt werden und viel Geld verdienen oder brennt einfach nur eine Leidenschaft in dir, die gestillt werden will?“

Die Reaktion der Zuhörer zeigt, sie sehen mich als Spielverderberin. Weit gefehlt. Ich erlaube mir nur, ehrlich zu sein; denke zurück an meine eigene Blauäugigkeit, meine Erwartungen und ja, auch Enttäuschungen. Denn eines ist klar, in dem Moment, in dem man seine Texte öffentlich macht, gibt man sein Inneres preis und das kann verdammt wehtun.

Ich empfehle ihm ein paar gute Schreibratgeber, lege ihm ans Herz, Schreibkurse zu besuchen, zu üben, zu üben, zu üben, sich zu vernetzen, kritisch mit dem eigenen Text umzugehen und sich einen wohlgesonnenen, nicht schreibenden Testleser zu suchen und vor allen Dingen zu lernen, Kritik – berechtigte oder unberechtigte – auszuhalten. Und den Text zu behüten, bis er „erwachsen“ ist, für die Welt da draußen.

PS. Einige Wochen später laufen wir uns zufällig über den Weg. Er meint: Du, auf diesen theoretischen Mist habe ich keine Lust. Stattdessen werde ich den Ausbau meiner Eisenbahnanlage forcieren.

 

chrilie

Autor: Christa Lieb

 

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