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Christa Lieb – Autorin

»Lesefrüchtchen« November

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Leseprobe »Ein Sommer in Blue Bay«

(…) Schweigend saßen sie beisammen und schauten auf den prächtigen Sonnenuntergang über dem Meer.

Das Schauspiel, wenn Himmel und Meer ihr Alltagsgewand ablegten und sich in kostbare Festtagsroben hüllten, zog sie jeden Tag aufs Neue in ihren Bann.

»Hast du dich inzwischen eingelebt … Dich an das Leben hier gewöhnt?«, unterbrach Gordon das Schweigen.

»Gewöhnt? … Nein … Eher damit abgefunden. Ich habe wohl keine andere Wahl, als es zu akzeptieren.« Linda biss sich erschrocken auf die Lippen.

Gordon war hellhörig geworden. Sollte jetzt der Moment der Wahrheit gekommen sein? Würde er nun endlich erfahren, was sich hinter dem manchmal eigenartigen Verhalten Lindas verbarg?

»Mit was musstest du dich abfinden? Was akzeptieren? … Was ist eigentlich los mit dir?«

Da war sie. Die Frage. Bei jedem ihrer Gespräche hatte sie sich vor ihr gefürchtet. Und jetzt hatte er sie gestellt; durch ihr gedankenloses Gerede selbst provoziert. Sollte sie ihm anvertrauen, was sie quälte, sie nicht zur Ruhe kommen ließ? Würde er ihr glauben oder sie für eine Verrückte oder gar Schwindlerin halten?

»Linda …?«

»Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin; weiß nicht, warum ich hier in diesem Haus bin. Alles ist mir fremd … Ja selbst ich bin mir fremd.«

Er schaute sie irritiert an. »Was meinst du damit … Ich verstehe nicht …«

»Seit ich in diesem Haus aufgewacht bin, suche ich nach Antworten … Und nach Hinweisen. Dieser Name … ›Linda Sinclair‹ … Bin ich wirklich diese Frau …?«

»Ob du diese Frau bist?«

»Und ist das hier wirklich mein Haus?«

»Vorübergehend …«

»Vorübergehend? Was weißt du?«

»Es gehört einem wohlhabenden Ehepaar, das oben in Big Sur eine prächtige Villa bewohnt. Das Strandhaus vermieten sie an Feriengäste oder Leute, die mal mehr oder weniger lang einen Ortswechsel brauchen. Im Frühjahr kam eine Maklerin aus Santa Barbara hierher, erzählte allen, demnächst würde eine Linda Sinclair einziehen. Miss Sinclair brauche Ruhe und Abgeschiedenheit. Man solle diesen Wunsch respektieren und sie nicht behelligen.

Und als ich eines Morgens dein Auto in der Einfahrt stehen sah, wusste ich, Miss Sinclair ist angekommen. Du hast mich, uns alle hier, zwar gemieden, aber ich hielt es für meine Pflicht, mich um dich zu kümmern.«

»Eine Maklerin? … Warum weiß ich davon nichts? So etwas vergisst man doch nicht einfach; genauso wenig, wie den eigenen Namen.«

Ihr verzweifelter Tonfall ließ ihn spontan nach ihrer Hand greifen. Sie zuckte zurück und er ließ sie mit einem Seufzer los. »So ganz traust du auch mir nicht, oder?«

(…)

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Christa Lieb ©

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Autor: Christa Lieb

 

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