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Christa Lieb – Autorin

25. Januar 2016
von Christa Lieb
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Blauäugigkeit kommt vor dem Fall …

Blauäugigkeit kommt vor dem Fall …

Blauauge

cl ©

Gestern musste ich schmerzhaft erfahren, dass ich bei vielen Dingen noch immer ziemlich blauäugig bin.

Der Reihe nach. Vor einigen Jahren bin ich auf einen Dienstleister gestoßen, der das Erstellen von Fotokalendern usw. anbot. Ich habe mir das entsprechende Programm heruntergeladen und losgelegt. Mit den Jahren wurde es immer ausgefeilter; regelmäßige Updates (das letzte vor etwa zwei Wochen!) signalisierten mir, dass man sich um Verbesserungen kümmert, dass es »lebt«. Es machte Spaß, damit zu arbeiten. Die Handhabung war einfach, die Abwicklung unkompliziert und professionell, das Endprodukt von guter Qualität zu angemessenem Preis.

Aus einer Laune heraus (und weil mir bei meinem laufenden Projekt gerade die zündende Idee fehlte), plante und erstellte ich meinen Kalender 2017 mit eigenen Fotos und Texten (ziemlich früh, aber mit Elan und Vorfreude).

Doch diese Traumblase platzte gestern mit einem lauten Plopp und ganz zufällig. Ich hatte für einen der Monate ein bestimmtes Bild im Auge und wollte die Idee umsetzen und … erlebte eine böse Überraschung. »Liebe Kunden, wir haben unseren Fotodienst eingestellt. Wir danken Ihnen für Ihre Treue. Bitte haben Sie … bla, bla, bla … Schockstarre. Dann meine ungläubige Frage: »Dürfen die das? Ohne Vorwarnung, ohne Karenzzeit?« Womit ich wieder bei blauäugig wäre. Aber ja doch. Sicher dürfen die das. Bestimmt steht irgendwo in den AGB (die nie jemand richtig liest) unter Nummer 132 f, kaum erkennbar, ein entsprechender Passus.

Tja, dumm gelaufen. Eine grandiose Fehlinvestition von Kreativität und Zeit. Meine Vorlagen irgendwo im digitalen Nirwana; eine Datei, die sich ohne dieses deaktivierte Programm nicht mehr öffnen lässt. Da möchte man sich doch glatt einen Hochprozentigen hinter die Binde gießen. Wohl bekomm’s …

Christa Lieb ©

8. Januar 2016
von Christa Lieb
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Randbemerkung

GefangenRandbemerkung

Am Tag 8 frage ich mich, ob überhaupt ein (Jahres)Wechsel stattgefunden hat? Nichts deutet darauf hin. Ich sehe und höre mich um; alles ist beim Alten: Die Dummheit, die Ignoranz, die Denunziation, die Kaltherzigkeit, die Berechnung, die Geringschätzung … sogar das Wetter.

Tja, die Vorstellung, mit der Jahreszahl gäbe es (eventuell) einen Neuanfang, war wohl nur blauäugiges Wunschdenken. Arme Menschheit … Gefangene ihrer eigenen Unfähigkeit.

20. Dezember 2015
von Christa Lieb
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Weihnachtszeit … Lesezeit

Schon alle Geschenke besorgt oder fehlt noch die eine oder andere Kleinigkeit? Wie wäre es mit einem Buch?

Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester, sind Tage zwischen den Zeiten und wie gemacht für gemütliche Stunden mit einem Buch. Meine Empfehlung:

Cover

Auszug Kapitel 2

Heute ging man besser nicht hinaus auf die Straße. Dort tobte seit Tagen ein Kampf. Die Luft war geschwängert von Geschrei, Warnschüssen und Rauchschwaden. In Memphis, Tennessee, hatten Rassisten Martin Luther King erschossen. Er hatte von Gleichheit und Versöhnung gepredigt, doch seine Gegner antworteten mit Hass und Gewalt.

Jahre des Kampfes lagen schon hinter ihnen. Und als in Birmingham, Alabama, vor den Augen der geschockten Nation eine außer Kontrolle geratene Polizeigewalt selbst demonstrierende Kinder niederknüppelte, schien es ein Umdenken zu geben. Präsident Kennedy und große Teile der Bevölkerung begannen, Martin Luther Kings Bewegung zu unterstützen. Doch jetzt waren beide tot. Die wenigen Jahre der Hoffnung auf Besserung schienen nur eine kurze Atempause gewesen zu sein. Viele hatten, erschöpft von den quälend langsamen Schritten in die ersehnte Gleichberechtigung, inzwischen dem gewaltlosen Widerstand abgeschworen. Malcolm X und Black Power waren die neuen Helden.

***

Durch die staubigen Scheiben des »Speedways« beobachtete John Franklin das Treiben; fragte sich mit gemischten Gefühlen, wo das noch enden sollte? Vor wenigen Jahren Kennedy und jetzt King.

Ein nicht enden wollender Zug von Menschen schob sich über die Kreuzung Fayette- und Liberty-Street. Geballte Fäuste, selbst gemalte Transparente, Fahnen streckten sich dem Himmel entgegen. Sie skandierten: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit; die Schlagworte der Französischen Revolution. Und auch hier schien sich eine Revolution anzubahnen.

(…)

***

Abends war im »Drive Inn« tatsächlich die Hölle los. Unter der Decke des Raumes hing der Qualm unzähliger bereits verglühter Zigaretten. Aus der hektisch blinkenden Jukebox, die in der Nische neben der Eingangstür stand, dröhnte Countrymusik. Am Tresen drängten sich durstige Männer, verlangten nach Bier und führten hitzige Debatten über die Vorkommnisse der vergangenen Tage.

John wusste nicht, wo ihm der Kopf stand, aber die Miete für den kommenden Monat war gesichert. Das einstmals blütenweiße Shirt mit dem verwaschenen, roten Schriftzug »Budweiser« klebte ihm am Körper und seine vom Schweiß feuchten hellbraunen Haare kringelten sich im Nacken zu kleinen Locken.

»Hey, Franklin, siehst aus wie eine Schwuchtel«, lästerte Burt Lebinski, als John sich mit einem vollbeladenen Tablett an ihm vorbeidrängte. »Ist diese Weiberfrisur deine Vorstellung von einem echten amerikanischen Kerl?«

Jeder der John Franklin ansah, musste Lebinskis Äußerung absurd finden. John Franklin war ein stattlicher Mann, dessen Muskeln auf den Besitz einer Dauerkarte für eines der Fitness-Studios, die zurzeit wie Pilze aus dem Boden schossen, hin deuteten. Nichts an ihm war »weibisch«.

Er verkniff sich eine böse Bemerkung, grinste nur und meinte: »Ein paar Kröten mehr von Ihnen, Boss, und ich könnte mir öfter einen Haarschnitt bei Dolly leisten.«

Lebinskis Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du wirst nie mit den Großen pissen gehen, Franklin. Bring mir noch ein Bier, statt schlaue Reden zu schwingen.«

Mit stoischer Ruhe kam John der Aufforderung nach. Bald wäre seine Schicht und somit die Plagerei zu Ende. Zwei Etagen höher wartete ein halbwegs bequemes Bett auf ihn. Dort könnte er dann endlich in Ruhe an die Vorkommnisse des Nachmittags zurückdenken. Noch deutlich hatte er das schöne Gesicht der jungen Frau vor Augen. Er erinnerte sich daran, wie sie zusammengezuckt war, als er ihr das Blut notdürftig weggewischt und ein Pflaster auf die Wunde geklebt hatte. So zart war ihre Haut gewesen. Passend zu dem kaum wahrnehmbaren süßlichen Geruch nach Maiglöckchen, den sie verströmte. Er griff in seine Hosentasche und holte den kleinen Zettel hervor. »Amy Coleman« las er und lächelte verhalten. Er würde sie wiedersehen.

(…)

Christa Lieb ©

Als eBook bei allen gängigen Online-Stores und bei XinXii.com

15. Dezember 2015
von Christa Lieb
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Lesefrüchtchen

Noch einmal hervorgeholt und auf Vordermann gebracht …

Weihnachtspalmen_1Weihnachtspalmen

Nun war es wieder so weit. Weihnachtsmänner an Regenrinnen und hinter den Fenstern Kerzenschein und Jingle Bells. Das von gewieften Werbestrategen gemanagte Familienfest stand bevor. Kaum einer fragte noch nach dem eigentlichen Sinn dieser Tage. Stern von Bethlehem, das Kind in der Krippe? Schulterzucken. Die Nikoläuse, die bereits seit September in den Regalen standen, schauten stumm vor sich hin. Es hatte den Anschein, als sehnten sie die ungeduldigen kleinen Menschenhände herbei, die den bunten Glanz beseitigen und dem täglichen Einerlei ein Ende bereiten würden. Gestresste Leute hasteten seit Tagen durch die Straßen, bepackt mit unzähligen bunten Tüten voller Wohlstandsschlemmerei und unnützem Kram für die Lieben.

»Man müsste dem ganzen Trubel einfach entfliehen; sich davonmachen in fremde Gefilde, die kein Lametta und keinen Weihnachtsbaum kennen und in denen süßer die Glocken nicht klingen.«

Mit dem Unverständnis, das sie sich für diesen Vorschlag einhandelte, hatte sie gerechnet. Diesmal würde sie jedoch standhaft bleiben. Entschlossen holte sie den Koffer vom Dachboden und bepackte ihn mit Kleidung für ein paar ruhige Tage unter Palmen. Jawohl. Palmen. Kein Weihnachtsbaum, der schon an Heiligabend seine Nadeln verlor. Zum Schluss noch die neue Winzigkeit aus Lycra mit Tigerfellmuster, die sich Bikini nannte, dann klappte sie zufrieden den Deckel zu. Ein Griff nach Reisepass und Kreditkarte und nichts wie weg.

Am Flughafen kam das böse Erwachen. Anscheinend hatte in diesem Jahr niemand Lust auf nadelnde Weihnachtsbäume. Die ganze Nation schien unterwegs zu sein, um sich unter Palmen einen winterlichen Sonnenbrand zu holen. Keine Last-Minute-Angebote. Sorry, alle Palmen sind belegt.

Nach zwei Stunden gab sie ihren spontanen Plan auf. Zurück nach Hause, eingestehen, dass nix war mit »ab in die Sonne«? Niemals. Dann würde sie eben ein paar Tage hier in Frankfurt bleiben. Nach dem Trubel am Flughafen zu schließen, musste die Stadt nahezu leer sein. Und leer bedeutete, jede Menge Zimmer für ihr müdes Haupt und ihre gereizten Nerven. Tatsächlich wurde sie schnell fündig. Doch schon bald kam Langweile auf. Um der zu entgehen, schlüpfte sie in ihren Mantel, schlang sich den dicken Wollschal um den Hals, zog ihn hoch bis über beide Ohren und trat hinaus auf die Straße. Der eisige Ostwind, der ihr entgegen pfiff, trieb ihr Tränen in die Augen. War es wirklich die Kälte oder doch eher die bittere Erkenntnis, dass die Einsamkeit schmerzte?

Blindlings setzte sie einen Fuß vor den anderen, überquerte breite, leere Straßen, lief ziellos durch Häuserschluchten. Die bunten Lichter der Schaufenster huschten über ihr Gesicht. Irgendwann saß sie auf einer Bank an der Uferpromenade. Vor ihr gurgelte der Fluss behäbig ein Schlaflied. Am gegenüberliegenden Ufer reckten die hell erleuchteten Zentren des Kapitals arrogant ihre Turmspitzen in den nächtlichen Himmel.

Sie musste unbedingt zu Hause anrufen; von ihrem Traumurlaub unter Palmen erzählen. Von einem strahlend blauen Himmel und 30 Grad von morgens bis abends.

Von wegen 30 Grad. Unaufhaltsam kroch Kälte durch ihren Körper. Sie lehnte den Kopf zurück und starrte hinauf zu den unzähligen Sternen. Drüben hatte sich inzwischen die Mondsichel in einem hohen Baum aufgehängt. Sie war müde, wollte nur noch schlafen. Erschöpft schloss sie die Augen.

Plötzlich plärrte ein Radio. Selbst im Himmel gibt es keinen Frieden, dachte sie enttäuscht und öffnete zögernd die Augen. Als sie den Kopf zur Seite drehte, blickte sie in das vom Schlaf zerknautschte Gesicht ihres Mannes. Friedlich schlummernd lag er neben ihr unter einem Berg weicher Daunen. Fröstelnd rieb sie sich über ihre eiskalten Arme. Das Radio plärrte noch immer. Und dann verstand sie. Ein Traum. Sie hatte geträumt. Erleichtert beförderte sie ihre Bettdecke vom Fußboden zurück auf ihren Körper und kuschelte sich hinein. Dann stopfte sie dem nervigen Radio mit einem gezielten Handgriff den Mund, schloss die Augen und genoss die Wärme, die langsam durch ihren Körper strömte.

»Was hältst du davon, in diesem Jahr Weihnachten unter Palmen zu verbringen?«, hörte sie ihn murmeln.

Christa Lieb ©

 

21. November 2015
von Christa Lieb
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Ritual »Morgenseiten«

Erkenntnis

chrilie ©

Gedanken zu »Morgenseiten«

Vor gut fünf Wochen habe ich (mal wieder) damit begonnen, Morgenseiten zu schreiben. Die Vorgaben sind: Gleich nach dem Aufstehen und mindestens drei DIN-A-4-Seiten. Mein Resümee fällt ernüchternd aus. Ich verstoße gegen zu viele Vorgaben. Ich schreibe selten direkt nach dem Aufstehen und ich erfülle noch seltener den Umfang. Obwohl inzwischen die Zweifel am Nutzen dieses Rituals überhand nehmen, will ich versuchen, noch eine Weile durchzuhalten. Immerhin schreibe ich … Wenn auch nicht das, was in meinen Augen sinnvoll(er) wäre. Vielleicht gibt es eine Langzeitwirkung, die ich bisher noch nicht verspüren konnte, weil ich immer zu früh das Handtuch geworfen habe. Wer weiß …

Ich habe schon oft überlegt, den Inhalt meiner Morgenseiten hier auf meinem Blog zu teilen. Auch deshalb, weil ich vor einigen Jahren mit der Idee gestartet bin, auf diese Art und Weise Interessierte an meinem Schreibprozess teilhaben zu lassen. Zu zeigen, dass das Entstehen eines Romans nicht immer Zuckerschlecken sondern auch mit vielen Hürden verbunden ist. Und dass es einfach seine Zeit braucht, bis ein Buch »fertig« ist. Vielleicht auch, um das Blog mit mehr Leben zu füllen.

Wenn ich aber zurück blättere (was übrigens auch verboten ist) und lese, was mir an manchen Tagen aus dem Stift fließt, komme ich zu dem Schluss, dass ich für diese Art Nabelschau nicht geeignet bin. Vieles ist sehr persönlich. Und wenn man sich (freiwillig) entblößt, läuft man Gefahr, ganz schnell verletzt zu werden. Und dazu bin ich nicht bereit.

Der Akt der Veröffentlichung von Selbstgeschriebenem bietet schon genug Angriffsfläche, wie mir immer wieder bewusst wird … Trotzdem wird es früher oder später ein neues Buch geben. Dieses Versprechen gebe ich heute in erster Linie mir selbst …