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Christa Lieb – Autorin

22. Dezember 2014
von Christa Lieb
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Frohe Weihnachten …

Foto: chrilie

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Danke allen, die mich auch in diesem Jahr hier besucht und Interesse an meinem Schreiben signalisiert haben. Darauf freue ich mich auch im neuen Jahr.

 

15. Dezember 2014
von Christa Lieb
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Lesefrüchtchen

Frohe Weihnachten

Foto chrilie


Alle Jahre wieder …
 

Für Valeska, die jeden Augenblick mit ihr zu einem besonderen macht.

 

Herr und Frau Amsel saßen auf halber Höhe im kahlen Geäst des großen Baumes und putzten mit spitzem Schnabel ihr Gefieder. Vorbei die Tage, an denen ein dichtes, grünes Blätterdach sie vor Sonne, Regen und neugierigen Blicken geschützt hatte. Im welken Laub unter ihnen raschelte es betriebsam. Familie Igel, die sich in den letzten Wochen einen ordentlichen Winterspeck angefuttert hatte, war damit beschäftigt, unter dem großen Holzstapel eine Kuhle weich auszupolstern, um dort in Ruhe und Geborgenheit ihren Winterschlaf halten zu können. Eichhörnchen vergruben an verborgenen Stellen noch die eine oder andere Nuss und hofften wie jedes Jahr darauf, dass sie die auch wieder finden würden, wenn der Magen knurrte.

Wie Herr und Frau Amsel, waren auch die Meisen, Rotkehlchen und Finken den ganzen Sommer über damit beschäftigt gewesen, ihre Brut zu füttern und ihnen das Fliegen beizubringen. Jetzt saßen auch sie müde, aber zufrieden, in dem Baum und warteten darauf, dass das Futterhäuschen mit dem leuchtend roten Dach endlich mit köstlichen Körnern gefüllt wurde. Selbst die Mäuschen, die durch das Beet huschten, hofften, bald ein paar Körner zu erhaschen.

»Schade, dass alles so trostlos ausschaut. Selbst den Menschen scheint das graue Einerlei aufs Gemüt zu schlagen. Ich habe schon lange kein fröhliches Lachen mehr gehört«, bedauerte Frau Amsel.

»Du solltest dich inzwischen daran gewöhnt haben«, antwortete Herr Amsel nachsichtig und plusterte sein Gefieder noch etwas mehr auf, um sich so besser gegen den kalten Ostwind schützen zu können.

»Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen«, sagte Frau Amsel betrübt.

»Uns geht es genau so«, stimmten ihr die anderen Tiere des Gartens zu. »Es wird dunkel. Zeit, sich einen sicheren Schlafplatz zu suchen. Habt eine gute …« Erstaunt schwiegen alle und rieben sich verwundert die Augen. Der Garten erstrahlte jetzt in festlichem Lichterglanz und auch hinter den Fensterscheiben war dieser heimelige Schein zu sehen.

»Seht nur die vielen Lichter. Welche Pracht«, riefen alle aufgeregt durcheinander.

»Die Menschen nennen es ›Advent‹«, meinte die schlaue Eule und drehte ihren Kopf um

Foto: chrilie

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die eigene Achse, um ja alles sehen zu können.

»Und dann kommt Weihnachten, Christkind, Geschenke und ›Oh Tannenbaum‹.« Die kleine Blaumeise flatterte aufgeregt umher.

»Woher hast du diese Weisheiten, du vorwitziges Ding?«, fragte die Eule streng.

»Ich habe die Menschenkinder belauscht. Sie können es kaum erwarten«, sagte die Blaumeise und hüpfte fröhlich hin und her.

»So, so, die Menschenkinder …«, sagte die Eule und machte es sich in einer großen Astgabel bequem.

»Fehlen nur noch Schneeflöckchen und ihre Schwestern«, seufzte ein Spatz sehnsüchtig.

»Hier sind wir doch«, kicherte es über ihnen. »Morgen Früh werden alle lächeln. Auch die großen Menschenkinder.«

chrilie ©

 

 

 

20. November 2014
von Christa Lieb
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Das Neue …

Foto: chrilie

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Das Neue …

 

Ja, ich mag es kaum aussprechen. Es ist mir ein weiteres Mal gelungen, einen Roman zu »gebären«. Und es war – wie jedes Mal – wieder eine schwere Geburt. Jetzt liegt er vor mir – noch ohne schöne Hülle – und ich frage mich, was wohl aus ihm werden wird?

Ich habe ihn begutachten lassen und aufgeregt auf das Urteil der lieben Testleserinnen gewartet. Es kostet mich stets Überwindung, meine Geschichten los zu lassen, sie kritischen Augen auszusetzen. Einerseits hoffe ich auf gnädige Blicke und wohlwollende Antworten auf meine Fragen, andererseits ist mir klar, dass mich nur Ehrlichkeit weiter bringt.

Beunruhigt und besorgt habe ich dem Rückgabetermin entgegengefiebert und jetzt, da ich alle Fragebögen fein säuberlich ausgefüllt vor mir habe, kann ich durchatmen und mich entspannen. Mit dem Ergebnis kann ich hervorragend leben. Die kritischen Einwände, die es zum Glück auch gab, haben alle Hand und Fuß und die meisten werde ich umsetzen, ohne dass mir dabei ein Zacken aus der Krone fällt.

Danke Mädels, ihr habt gute Arbeit geleistet, habt euch tapfer durch meine Worte gekämpft (einige mit dem Bedauern, dass es diesmal kein Kriminalroman ist) und mir damit ein großes Stück Zuversicht geschenkt.

Eine wichtige Entscheidung habt ihr mir leider nicht abgenommen. Bei der Frage »Print- oder eBook oder beides« seid ihr uneins und so muss ich speziell diese Entscheidung wohl alleine treffen. Vielleicht versuche ich es mal mit Würfeln.

Fazit: Ich muss das Buch nicht gänzlich neu schreiben 😉 In den nächsten Wochen geht es an den Feinschliff und dann – wenn die letzten Zweifel niedergerungen sind, die Nebel sich gelichtet haben – werde ich es präsentieren, mein neues Baby …

 

 

chrilie ©

 

 

 

15. November 2014
von Christa Lieb
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Lesefrüchtchen

Foto: chrilie

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Lauf des Lebens

Autobiografisch

 

Erinnerungen pflegen ein Eigenleben zu führen. Sie machen glücklich oder plötzlich tieftraurig. Man kann in ihnen schwelgen oder sich ängstigen und dabei das Heute aus den Augen verlieren. Man sollte ihnen immer gut vorbereitet begegnen, weiß man doch nie, welche Wege sie einschlagen, wenn man sich auf sie einlässt. Ich lebe gerne in der Gegenwart, wohl wissend, dass das Heute morgen schon Erinnerung sein wird. Sie erlaubt mir zu gestalten, Neues zu entdecken, die Richtung vorzugeben. Erinnerungen dagegen sind Geschehnisse der Vergangenheit, auf die ich keinen Einfluss mehr habe. Sie können mich zu Tränen rühren oder ein breites Lachen in mein Gesicht zaubern. Dieses Wissen lässt mich vorsichtig sein. Ihre Gesellschaft suche ich nur dann, wenn ich mich stark fühle. Doch manchmal suchen und finden sie mich – unvorbereitet. Und dann bohren oder kitzeln sie, rufen Erdbeben hervor oder tragen mich auf einer Woge der Glückseligkeit davon.

Mein Lebensbuch hat schon viele Kapitel und ist reich bebildert. Und wenn ich darin blättere, frage ich mich, wie die Zeit – nahezu unbemerkt – so schnell vergehen konnte. Die Jahre reihen sich aneinander wie Perlen einer bunt schillernden Kette. Gerade noch war ich ein Kind mit Sommersprossen im Gesicht und Flausen im Kopf. Mal ein Wildfang voller Lebensfreude, mal störrisch und verschlossen. Einen Wimpernschlag später bin ich eine junge Frau mit Schmetterlingen im Bauch und erfüllt von der Vorfreude auf ein neues, eigenständiges Leben. Dann halte ich sprachlos und staunend zum ersten Mal meine Kinder im Arm. Kann mich nicht sattsehen an den winzigen Händen und Füßen. Denke an die schlaflosen Nächte, wenn sie hungrig oder krank waren. An die ersten Worte, die ersten tapsigen Schritte und das Staunen in ihren großen Augen. Und schon sind sie erwachsen, denken sie kennen das Leben und ich muss sie loslassen, damit sie ihren eigenen Weg finden.

Dann und wann schließe ich die Augen und gehe durch meine große Gedankenhalle. Sehe auf die vielen aneinandergereihten Türen, hinter denen sich die Erinnerungen von Jahrzehnten verbergen. Es gibt die dunklen, wuchtigen Türen, voller Schrammen und Risse. Sie wirken bedrohlich und unüberwindbar. Gerne würde ich sie ignorieren, weitläufig umgehen. Es gelingt mir nur selten. Ihr Anblick zwingt mich, nachzudenken. Und mir wird bewusst: Ich bin, was ich bin auch wegen dieser Türen.

Behutsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Ab und zu bleibe ich stehen, grübele. Vor manchen Türen überkommt mich große Traurigkeit. Dahinter verstecken sich Alleingelassen sein, Nichtbeachtung, Lieblosigkeit; dort werden Fantasie und Neugierde von erhobenen Zeigefingern gefangen gehalten und warten auf Befreiung. Doch es gibt auch die filigranen, bunten Türen; makellos und schön. Sie erzählen von der Leichtigkeit des Seins. Dort wohnen Freude und Unbeschwertheit.

Hastig gehe ich weiter. Suche die Türen, hinter denen lautes Kinderlachen erschallt, der Strahl warmer Sommertage durch die Ritzen quillt, der Duft einer Frühlingswiese meine Nase kitzelt. Wo der blaue Himmel mit riesigen Wolkenschiffen wartet, die langsam vorübersegeln, während ich auf dem Rücken im tiefen Gras liege und mir überlege, woher sie kommen und wohin sie gehen und davon träume, es ihnen gleichzutun. Dort finde ich den Geschmack vollreifer Erdbeeren, ihren klebrigen, süßen Saft, der aus meinen Mundwinkeln fließt und mir das Kinn verklebt. Berühre die raue Rinde des Baumes, die beim Klettern die Haut abschürft. Rieche die ersten Regentropfen auf staubiger Erde und fühle Angst vor dem Donnergrollen. Spüre die Kälte eines Wintertages und das Glücksgefühl, wenn wir endlich mit dem Schlitten den Hügel hinab saußen konnten und uns anschließend ausgelassen im Schnee wälzten. Die Vorfreude beim Warten auf das Christkind und der harzige Geruch des Weihnachtsbaumes sind auf einmal wieder greifbar nah.

Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Aufgeregt suche ich nach den Türen, hinter denen ich die Sehnsucht und die Träume vermute. Was ist aus ihnen geworden? Gibt es sie noch? Bei meiner Suche nach ihnen fehlt mir manchmal die Luft, noch einen Schritt schneller zu gehen; nachzuholen, aufzuholen – was immer möglich ist. Doch die Suche hat immer auch etwas Tröstliches. Denn solange man noch Träume hat und ihre Erfüllung herbeisehnt, lebt man.

Noch einmal lasse ich meine Blicke schweifen, dann verlasse ich mit dieser versöhnlichen Feststellung meine Gedankenhalle; verwahre den Schlüssel an einem sicheren Ort auf. Ich gehe hinaus in die Sonne, setze mich auf die Bank unter den großen Baum, lausche dem Gesang der Amsel, dem Geplätscher des Wassers. Bewundere die Farbenpracht der Libellen, die flirrend in der Luft stehen. Atme den Duft des Sommers. Bin wieder im Hier und Jetzt und ganz bei mir.

 

chrilie ©